Zwei Wochen Urlaub im Juli 2021. Zwei Wochen, die unglaublich waren. Zwei Wochen, die vollgepackt waren mit tollen Ereignissen. Zwei Wochen, in denen eine Familie endlich wieder zueinander gefunden hat.
Wer meine Autobiographie gelesen hat, kennt einen kleinen Teil meiner Familiengeschichte. Hier ein „kurzer“ Umriss:
Ich wurde am 14. Juli 1972 in Berlin als jüngster, 3. Sohn Alexander Michael geboren. Meine Eltern, Brigitte und Heros, waren zu der Zeit beide stark Alkohol abhängig und auch kriminell – so wurde es mir einmal erzählt. Aus diesem Grund wurde ich meinen Eltern bereits im zarten Alter von 10 Monaten vom Jugendamt weg genommen und in ein Heim gesteckt. Vermutlich war dieser Moment auch jener, an dem ich meine leiblichen Eltern das letzte Mal für die nächsten 26 Jahre gesehen habe.
Im Alter von ungefähr zwei Jahren wurde ich dann von einem jungen Lehrer-Ehepaar gefunden und aufgenommen. Sie haben mich dann mit ungefähr vier Jahren auch adoptiert und von Berlin zunächst nach Bonn und einige Zeit später nach Wilhelmsdorf bei Ravensburg „verschleppt“, wo ich aufgewachsen bin.
Meine weitere Kindheit und Jugendzeit war sehr behütet und an sich sehr schön und glücklich. Trotzdem war da etwas, was ich nie erklären konnte. Ich wurde in der Schule viel gemobbt und wurde immer verschlossener, introvertierter, zurück gezogener, bis ich schluss endlich eine wirklich dicke Schutzmauer um mich herum aufgebaut hatte, durch die niemand herein kam, durch die ich aber auch nicht mehr heraus kam.
Ich wurde schon als Kind in meinem Verhalten und Benehmen, wie ich mich gab und bewegte, immer weiblicher. Oft wurde ich als „Schwuli“ oder „Schwuchtel“ beschimpft. Erst sehr viel später, Ende 2006 fand ich heraus, worum es bei mir ging – dass ich transsexuell war.
Ich verließ recht früh, in 1991 mit 19 Jahren, meine Adoptiveltern und ging nach Ulm, wo ich brutal abgestürzt bin. Ich geriet an die falschen Freunde, wurde Drogen abhängig und begann mich als Stricher zu prostituieren.
Mit 24 kam ich aus diesem Sumpf wieder heraus, fand eine Ausbildungsstelle als Einzelhandelskaufmann und schloss diese mit 26 Jahren ab, nach dem ich zwischendurch zwei mal, brutal von je drei Kerlen gleichzeitig vergewaltigt wurde.
In dieser Zeit der Ausbildung fand ich auch meine leiblichen Eltern, Brigitte und H., wieder und ich lernte meine beiden leiblichen Brüder kennen, Heros und Christian.
Nach erfolgreichem Abschluss meiner Ausbildung besuchte ich also dann direkt zunächst meine leibliche Mutter Brigitte, die ich bei Sulz am Necker gefunden hatte. Dort wurde mir von ihr direkt an der Haustüre noch klar gemacht, dass sie mit ihren leiblichen Kindern nichts zu tun haben wolle. Also zog ich unverichteter Dinge weiter nach Berlin, wo ich meinen leiblichen Vater Heros gefunden hatte.
Dort kam ich genau am 25. September 1996 an und es war ein toller Tag. Ich wurde sofort herzlich willkommen geheißen. Meine leibliche Halbschwester Steffi (väterlicher Seits) hatte an diesem Tag ihren 18. Geburtstag und ich war das wohl schönste Geschenk, das ihr damals gemacht wurde. Aus diesem Besuch bei meinem leiblichen Vater Heros, seiner Frau Helga, meinen Halbgeschwistern Steffi und Hagen und meinem leiblichen, großen Bruder Heros, wurden dann 11 Jahre, die ich direkt dort geblieben bin und verbracht habe.
Erst 2007 verließ ich Berlin wieder und zog wieder zurück zu meinen Adoptiveltern nach Wilhelmsdorf.
Trotzdem blieb natürlich immer der Kontakt mit diesem väterlichen Teil meiner leiblichen Familie bestehen.
Lange Rede, kurzer Sinn:
In all der Zeit fehlte mir nach wie vor der mütterliche Teil meiner leiblichen Familie.
Wie ihr wisst, hatte ich dann in 2015 mein Coming Out als transsexuelle Frau, begann meine Transition, bekam meine Hormone. In 2018 hatte ich dann meine geschlechtsangleichenden Operationen.
Es folgte eine turbulente Zeit in der einige Fernsehbeiträge, unter anderem auch eine zweiteilige Dokumentation über mich und mein Leben gedreht und ausgestrahlt wurden.
2018 heiratete ich dann auch meine Partnerin Michelle und wir waren damals das erste gleichgeschlechtliche und transsexuelle Ehepaar in Baden-Württemberg, was auch wieder in allen Medien „breitgetreten“ wurde.
Hier kürze ich dann alles nun ein wenig ab:
Mein leiblicher Bruder Heros und seine Frau Claudia hatten schon einige Zeit lang Kontakt zum mütterlichen Teil meiner leiblichen Familie. Heros war ebenfalls ein Sohn meiner leiblichen Mutter Brigitte. Und so war es auch ihm ein großes Anliegen, diesen mütterlichen Teil kennen zu lernen.
Kommen wir nun zu diesen zwei Wochen Urlaub in diesem Juli 2021:
Wie ihr wisst, habe ich am 14. Juli Geburtstag und mein leiblicher Bruder Heros und seine Frau Claudia brachten es fertig, an meinem Geburtstag ebenfalls Urlaub zu haben. Sie kamen hier runter nach Süddeutschland und organisierten einen Tag auf der Blumeninsel Mainau.
Dies war bereits eine tolle und schöne Überraschung für mich. Was aber meinen Geburtstag noch um einiges toppte war, dass Heros und seine Frau noch jemanden mit brachten:
An diesem Tag lernte ich Anita und Claudia kennen! Anita ist meine (leibliche) Tante mütterlicher Seits, also die Schwester meiner leiblichen Mutter Brigitte. Und Claudia ist ihre Tochter, also meine Cousine mütterlicher Seits!
Das war ein großes Hallo! Und ich war völlig geplättet! Das war ein wunderschöner Tag, ein wunderschöner Geburtstag und ein tolles Geschenk!
Einige Tage später lernte ich dann noch einen Onkel und einen weiteren Cousin kennen. Und inzwischen finde ich immer mehr Teile dieser Familie mütterlicher Seits. Es gibt noch weitere Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins und nach und nach lerne ich weitere Menschen, vor allem über die sozialen Medien kennen.
Was unglaublich schön ist: Nachdem mir ja meine leibliche Mutter damals eindeutig klar gemacht hat, dass sie mit ihren leiblichen Kindern nichts zu tun haben wolle, ist dieser neue Teil den ich nun kennengelernt habe und noch kennenlerne, ganz anders! Sie sind alle so lieb und freundlich und freuen sich alle riesig, mich endlich kennnen zu lernen!
Liebe Anita (Tante), Claudia (Cousine), Walter (Onkel), Ingrid (Tante), Ralph (Cousin), Sabine (Cousine), Petra (Cousine), Steffen (Cousin), Lucy (Großcousine), Karl (Onkel), Anna, Xenia und alle, die ich in Zukunft noch kennenlernen werde,
DANKE! Danke, das ihr mich so toll und lieb aufnehmt! Danke, dass ich Euch alle nun endlich kennenlernen darf!
Alleine diese Erlebnisse sind glatt eine Fortsetzung meiner Autobiographie wert. 🙂