Nicht weg sehen! Was tun bei Mobbing, Drohgebärden, Sexismus, Ableismus, Rassismus, ToxicMasculinity? #wirsindmehr #standtogether

Eine ganz, ganz liebe Freundin hat mich am Samstag gefragt, was sie tun kann, wenn ein Freund offen, in ihrem Beisein, gemobbt oder beleidigt wird, ihm Gewalt angedroht wird oder Ähnliches. Dies nehme ich hier nun einmal zum Anlass, genau über dieses Thema zu sprechen, dir Hilfe und Tipps zu geben, was man tun könnte und auch sollte und wie man so etwas auch grundsätzlich vermeiden kann.

Stell dir vor, ein Mensch wird in deiner unmittelbaren Nähe blöd angemacht, gemobbt oder gar gewalttätig angegriffen. Dabei st es völlig egal, um welches Thema es geht oder ob es dein bester Freund, deine beste Freundin oder ein wild fremder Mensch ist.

Man hört es immer wieder in den Medien: Ein Mensch wird brutal zusammen geschlagen oder aufs übelste beleidigt. Leute hasteten an dem Geschehen vorbei oder standen unbeteiligt daneben und keiner schreitet ein, keiner tut etwas dagegen. Alle sind still und schauen nur zu… oder weg.

Dies ist der sogenannte Bystandereffect oder Zuschauereffekt. Er tritt auf, wenn Menschen Zeugen von Situationen werden, in denen man eigentlich eingreifen und Hilfe leisten sollte und möchte. Je mehr Zuschauer anwesend sind, desto weniger die Wahrscheinlichkeit, dass jemand eingreift. Das heißt: Je mehr ihr seid und je größer damit eure Erfolgsaussichten wären demjenigen zu helfen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass jemand von euch einschreitet und wirklich hilft.

Woran liegt das? Was ist dieser Bystandereffect? 

Auf Wikipedia werden hierzu vier mögliche Ursachen aufgezählt, die allesamt logisch und richtig klingen:

  • Die Notwendigkeit oder Dringlichkeit der Hilfeleistung kann von dem Umstehenden nicht eindeutig eingeschätzt werden. Die Personen unterlassen Hilfeleistung, weil sie befürchten, dass sie sich blamieren, wenn sie in einer Situation eingreifen, die für die betroffene(n) Person(en) nicht bedrohlich ist.
  • Bei einer größeren Zahl von Umstehenden wird die Bereitschaft größer, die Situation nicht als Notfall einzuschätzen (pluralistische Ignoranz). Die anderen Umstehenden sehen offenbar auch keinen Notfall, denn niemand sonst hat bisher eingegriffen.
  • Bei einer größeren Zahl von Umstehenden kommt es zu einer Verantwortungsdiffusion: Verantwortungsteilung auf die Zahl der Zuschauer bezogen mit gleichzeitiger Abnahme der Eigenverantwortung. Es wird darauf gewartet, dass eine andere Person eingreift bzw. den ersten Schritt einer Intervention wagt.
  • Nach der Reaktanz-Theorie fühlt sich eine um Hilfe gebetene Person von dieser Bitte in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeengt. Als Gegenreaktion wird sie dazu tendieren, Hilfe zu verweigern.

In Zeiten von Hashtags wie #wirsindmehr#unteilbar#standtogether oder auch #metoo, ist es schon echt strange und ein Kuriosum, dass uns solch ein Effekt davon zurückhält, anderen Menschen zu helfen. Je mehr Menschen das mitbekommen, desto weniger greifen ein, weil alle denken, der jeweils andere wird schon etwas tun. Warum also sollte gerade sie oder er eingreifen?

Was also kann man tun, um doch einzugreifen und doch wirksam etwas zu tun?

Wie kann man diesen Bystandereffect, den Zuschauereffekt oder diese Verantwortungsdiffusion verhindern? Es gibt fünf Schritte, die gezielt diesen Bystandereffect verhindern oder unterbinden sollen und können. Es ist das ‚Model of Bystander Intervention‘:

a) Aufmerksam werden
b) Bedarf des Eingreifens erkennen
c) Eigene Verantwortung erkennen
d) Art der notwendigen Hilfe identifizieren
e) Eingreifen

Um die Entscheidung zu erleichtern, ob man tatsächlich eingreifen sollte – denn es könnte ja auch gefährlich sein, wenn zwei oder drei Leute auf einen einzelnen losgehen – kann man auch zu den direkten rechten und linken Nachbarn sagen, dass sie ebenfalls aktiv werden sollen. So wissen sie, dass sie nicht alleine sind und ihr das gemeinsam macht und sie wissen, dass ihr dann schon mindestens zu dritt seid. Das macht Mut.

Wichtig ist auch, klare Aufgaben zu verteilen. Ein Mensch der Hilfe leisten soll, weiß oft nicht, wie er das tun soll und wie er helfen kann. Versuche klare Aufgaben zu verteilen und sage zum Beispiel zu einem der Nachbarn, er soll die Polizei oder einen Notarzt rufen.

Mobbing, speziell bei Trans* Menschen von Haus aus gar nicht möglich machen?

Wir trans* Menschen haben natürlich das Problem, dass wir immer irgendwie und irgendwo Ziel für Mobbing, Diskriminierung und auch gewalttätige Angriffe sein werden. Aber auch dagegen lässt sich etwas tun und so etwas schon von Grund auf vermeiden.

Achtung: Die Verantwortung für Gewalttaten oder auch Mobbing, Diskriminierung, Rassismus, Homophobe oder Transphobe Aktivitäten liegt immer beim Täter, nie beim Opfer! Es liegt mir absolut fern hier eine Relativierung oder Verharmlosung vorzunehmen! Niemand ist selbst verantwortlich ein Opfer zu sein oder zu werden!

Niemand hat die Entscheidungein trans* Mensch zu sein. Niemand kann sich dazu entscheiden, transsexuell oder transident zu sein. Niemand hat die Entscheidung bisexuell oder homosexuell zu sein. Aber Jeder hat definitiv die Entscheidung, ein homo- oder transphobes Arschloch zu sein.

Trotzdem gibt es natürlich Möglichkeiten, dem durch das eigene Verhalten vorzubeugen.

Grundsätzlich kommt es bei uns vor allem darauf an, wie wir selbst in der Gesellschaft auftreten.

Ein Mensch der unsicher wirkt, wird unweigerlich Ziel für Angriffe jeglicher Art! Denkt zurück an Eure Schule. Welche Mitschüler wurden am meisten gemobbt? Immer nur die, die nerdig waren, unsicher und auch unscheinbar waren und die, die irgendwie anders waren als die anderen.

Sei also ganz einfach nicht unsicher oder anders!

Insbesondere trans* Frauen haben hier wohl die meisten Probleme. Eine Mensch der  Jahre lang im falschen Körper steckte und das auch unterdrücken musste und nun endlich, endlich seinen Weg anfangen darf, sich so kleiden darf wie er will und sein Geschlecht nach aussen hin leben darf, übertreibt es unweigerlich damit. Man sagt hier auch: Das Pendel schlägt zunächst nach der einen Seite bis zum Anschlag aus und wenn man endlich das Coming Out hatte, dann schlägt das Pendel genau entgegengesetzt aus.

Beispielsweise müssen trans* Frauen zunächst erst einmal lernen sich richtig zu kleiden, nicht zu übertreiben, sich schön zu schminken und sich auch zu verhalten wie eine Frau.

Ich kenne ganz, ganz viele trans* Frauen, die kurz nach ihrem Coming Out – sie sind noch gar nicht so richtig auf ihrem Weg – sich Petticoat Kleider kaufen und damit in der Öffentlichkeit herumlaufen. Sie merken gar nicht, dass es furchtbar aussieht, weil sie solche Kleider mit purer Weiblichkeit in Verbindung bringen. Sie denken, sie sehen schön aus und kommen bei der breiten Öffentlichkeit als wunderschöne Frauen an. Leider ist das aber oft nicht der Fall. Eine 1,90m große trans* Frau mit Schultern wie Arnold… und dann ein zierliches Petticoat Kleid, dessen Petticoat 15 cm über dem Knie aufhört??

Hier gilt es, ehrlich zu sein und diesen Menschen die Wahrheit zu sagen und sie auf den Boden der Tatsachen herunter zu holen!

Ich möchte mich hier natürlich nicht mit den Tätern solidarisieren oder solche Taten in irgendeiner Weise verteidigen. Das liegt mir fern. Aber vielen solcher Taten kann vorgebeugt werden, in dem man sich selbst der Gesellschaft ein wenig anpasst und nicht herumläuft, wie ein Paradisvogel.

Das Gleiche ist es mit der eigenen Ausstrahlung. Ein Mensch der vor sich hin trottet, den Kopf gesenkt, hängende Schultern, schlurfenden Schrittes, wird unweigerlich Ziel für Angriffe und Mobbing, weil man von ihm nicht erwartet, dass er sich wehrt!

Wenn du aber lächelnd, mit hoch erhobenen Kopfdurchgedrückten Schultern und festen Schrittes durch die Straßen läuft, so als wäre es das normalste und selbstverständlichste der Welt, dann ist die Wahscheinlichkeit ein Opfer zu werden möglicherweise deutlich geringer, weil es für den Täter mehr Mut erfordert, auf Dich los zu gehen.

Eine kurze Anekdote

Ich war vor zwei Jahren einmal in einer Wirtschaft und saß dort mit Michelle an einem Tisch, die Fenster des Hauses hinter mir im Rücken und uns gegenüber die Bar. An der Bar saß ein Typ, um die 30. Er saß dort auf seinem Barhocker eigentlich mit dem Rücken zu mir und ihm gegenüber saß seine Frau oder whatever.

Ich hatte mich relativ aufreizend gekleidet, hatte einen etwas längeren Minirock und Stiefeletten an, ein schönes Makeup und lange, rote Haare. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt schon sehr genau, was an mir gut aussieht und wie ich mich kleiden muss, um nicht auszusehen, wie ein Bauerntrampel in Frauenkleidern.

Dieser Typ hat sich – ohne Übertreibung – alle zehn bis zwölf Minuten umgedreht und den Hals verrenkt, um mich drei oder vier Minuten lang ununterbrochen lang anzustarren.

Ich habe mir das den ganzen Abend lang angeschaut, doch irgendwann war es dann Zeit zu gehen. Also stand ich auf, nahm eine meiner Visitenkarten auf der vorne ein süßes Bild von mir drauf ist, ging zu ihm hin, legte ihm die Visitenkarte vor die Nase und sagte zu ihm:

„Ich kann es beim besten Willen nicht verantworten, dass sie durch mich ein Schleudertrauma bekommen. Deshalb haben sie nun hier etwas zum Anstarren.“

Ich drehte mich um und ging. Der Typ ist knallrot angelaufen und er hat sich offensichtlich dermaßen geschämt, dass es eine riesen Genugtuung für mich war.

Was ich damit sagen will ist: Du brauchst Selbstbewusstsein und den Mut, auch selbst aufzustehen und für dich einzustehen!

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